Die fünf Geheimnisse der Rhetorik

Aus unserer langjährigen Erfahrung als Personalberater können wir berichten: Den Job bekommen oft nicht diejenigen, die am besten sind, sondern diejenigen, die sich am besten verkaufen. Tatsache ist, es ist eine Kunst andere Menschen mit richtigen Worten von sich zu überzeugen, aber es ist durchaus erlernbar.

Tatjana Lackner, MBA von der Schule des Sprechens ist eine Kommunikations‐ & Verhaltens‐Profilerin und hat für uns diesen Gastblog-Beitrag geschrieben mit vielen Tipps und Übungen zum Thema Rhetorik im Bewerbungsgespräch:

 

1. Ihre Stimme erklingt in fremden Ohren

30 Sekunden genügen für den ersten Stimm-Eindruck. Danach ist entschieden, ob man Ihnen gerne zuhört oder nicht. Stimmlich geben wir preis, wer wir sind, wofür wir stehen und für wen wir uns halten. Unendlich viel schwingt in unserer Stimme mit: die Biografie und unsere Kultur; ein arabischer Mensch bildet viele Rachenlaute und klingt kehliger als ein Deutscher. Nigerianer resonieren weiter hinter dem Gaumensegelbereich im Unterschied zu Japanerinnen. Wie wir sprechen, gibt Aufschluss über die soziale Herkunft, unser Temperament (Anatomie) aber auch über die gegenwärtige Verfassung. Jede Stimme ist ein Instrument. Die Devise: Lerne darauf zu spielen!

Übung 1: So atmet jeder richtig!
In der Vorstellung riecht man an einer duftenden Rose oder einem guten Parfüm. Beim langsamen Riechen über die Nase, atmen wir automatisch tief und sprechen danach voller. Das hilft unserer Auftrittskompetenz besonders dann, wenn wir aufgeregt sind.

Übung 2: Meine, was Du sagst!
Fokussiertes Sprechen ist wichtig. Die Stimme soll Hörer- & Raum-orientiert eingesetzt werden. Am besten übt man das zuerst mit einem Gegenstand im Zimmer im Abstand von 1,5 m und spricht diesen direkt an mit: “GRRKST”–“DRRTST”–”BRRPST”. Bei jedem Schluss-”t” kommt die Sprache weiter vor zu den Schneidezähnen und die Sprechtechnik wird deutlicher. Beim Üben darf gespuckt werden.

 

2. Elegante Sprache, die auf der Zunge zergeht

Vor allem im Berufsleben neigen Menschen dazu, ihren Aussagen ein Pokerface aufzusetzen. Sie drücken sich schwammig aus, um nicht anzuecken. “In die Unschärfe” gesprochene Sätze schüren jedoch Argwohn. Wer seine persönliche Meinung versteckt, wird nicht als glaubhaft und vertrauenswürdig eingestuft.

Übung 3: Begriffe akkurat verwenden
Um kein Bullshit-Bingo-Kaiser zu werden, sollten sie Mainstreamfehler vermeiden. Dazu gehört es, Wörter richtig gegeneinander abzugrenzen. Überall auf dem Erdball wird von “nachhaltig” gesprochen, während in vielen Fällen bloß “langfristig” gemeint ist. Grenzen Sie folgende Begriffe mit je einem Beispiel und einem emotionalen Bild klar voneinander ab!

• nachhaltig – langfristig
• effektiv – effizient
• modisch – modern
• ursprünglich – einzigartig

Das Verb ist der Muskel des Satzes, denn es beschreibt, was das Subjekt mit dem Objekt macht. Frische Verben erzeugen Nähe. Durch kreatives Schreiben trainiert jeder seinen Wortschatz. Im Alltag wimmelt es nur so von Substantivierungen von Verben und Adjektiven. Das machen Menschen vor allem, um amtsdeutscher zu klingen. Dem wirkt die nächste Übung bewusst entgegen.

Übung 4: Keine Hauptwörter erlaubt:
Schriftlich fällt es leichter, diese Aufgabe zu machen.
Situation: Sie gehen morgen in Rente. Beschreiben Sie Ihren ersten Tag als Pensionist. Sie dürfen jedoch nur Eigennamen und Satzanfänge groß schreiben und demnach keine Hauptwörter verwenden. Versuchen Sie dennoch, auf wenigstens 50 Wörter zu kommen!

Was im Sport Schwimmen – Laufen – Radfahren, ist im Rhetorik-Triathlon: Präsentieren – Argumentieren – Kontern. Diesem Mehrkampf stellen wir uns sprachlich.

 

3. Präsentieren ohne Schwimmen

Klar ist: Eine Rede ist keine Lesung! Am Beginn eines Vortrags sollte man auf welke Begrüßungen verzichten. “Sehr geehrte Damen und Herren, schön, dass Sie heute alle so zahlreich erschienen sind.”  (das ist auch grammatikalisch holprig; jeder Teilnehmer kann nur einmal erscheinen) Lieber nicht!

Besser: “Willkommen zum Thema XY. Fein, dass Sie sich heute Zeit nehmen.”

Viele bereiten sich den Anfang ihrer Rede vor und vergessen den Schluss. Am Ende bleibt dann nur eine lahme Verabschiedung: “Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!” Oje.

Besser: “Wer mehr zum Thema XY erfahren möchte, der findet gut aufbereitete Infos auf: sprechen.com. Ich wünsche Ihnen jetzt noch eine gute Heimreise.”

Übung 5: Die Gemeinsame-Nenner-Strategie
Dieser Einstieg ist in den Medien beliebt, weil sofort Aufmerksamkeit erzeugt wird. Wo lassen sich unter der Oberfläche interessante Verbindungen für Ihre Zielgruppe entdecken?
Beispiel: “Was haben George Clooney, Jennifer Aniston und der letzte James Bond, Daniel Craig, gemeinsam? Sie alle verzichten auf Social Media und sind nicht, wie zweieinhalb Milliarden andere Nutzer, auf Facebook zu finden.”

Überlegen Sie sich einen Redeeinstieg mit der Gemeinsamen-Nenner-Strategie für Ihr nächstes Vortragsthema!

 

4. Argumentieren ohne Laufen

Argumente gehören zum eigenen Waffenarsenal und sollten bedacht eingesetzt werden. Zu oft leiern Meeting-Teilnehmer beispielsweise ihre Gründe einfach herunter. Fade Aussagen überzeugen niemanden und schaden dem Eigenmarketing.

Besser: Gerade-Jetzt-Argument: “Gerade jetzt, wo gute Redner gefragt sind, ist es sinnvoll, in eine Sprecherausbildung zu investieren, um sich ein zweites berufliches Standbein zu sichern.”

Versuchen Sie für die nächste Besprechung ein Gerade-Jetzt-Argument vorzubereiten und wirkungsvoll zu platzieren. Sie werden staunen!

Übung 6: Paraphrasieren bedeutet die Aussage des Gegenübers mit eigenen Worten zu wiederholen.Das machen wir nicht, weil wir so liebe Zuhörer sind, sondern weil wir dadurch sein Argument isolieren und aus dem Kontext schälen. Der Vorteil: Das erhöht den Druck auf den Gesprächspartner.

Beispiel: “Okay, überprüfen wir Ihr Hauptargument gemeinsam. Sie sagen also, dass …“

 

5. Kontern ohne Treten

Klassischerweise besteht eine Meinung aus einer Behauptung und einer Bewertung, nicht umgekehrt. Warum in dieser Reihenfolge? Wenn Sie dem anderen gleich zu verstehen geben: “Na, da bin ich aber anderer Meinung …“, dann hat Ihr Gegenüber keinen Grund mehr, Ihren Ausführungen zu lauschen, denn man weiß bereits, wo Sie sich inhaltlich positionieren. Legen Sie hingegen erst die Gründe dar und enden mit Ihrer Conclusio: “ … und deshalb bin ich gegen Tempo 140 km/h”, dann muss der Gesprächspartner bis zum Ende zuhören.

Das ist gar nicht so leicht, denn viele Menschen stürmen sofort los und wollen Zustimmung ernten bzw. Ablehnung signalisieren.

Beispiel: Ihr Vis-à-vis bezweifelt die voranschreitende Erderwärmung und fragt: “Gibt es den Klimawandel überhaupt? Haben Sie dafür Beweise?”

Konter: “Vor zwanzig Jahren gab es noch keine Taifune beispielsweise auf Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philippinen. Rund 20 tropische Stürme ziehen mittlerweile pro Jahr über das Land. Höhere Wasserpegel in den Buchten bedeuten, dass Taifune mehr Schaden anrichten. Ja, das sind klare Belege für die bedrohlichen Auswirkungen des Klimawandels.”

 

In den letzten 25 Jahren musste ich für meine sechs Bücher viele Übungen kreieren und habe Lern-Methoden etabliert. Zudem gibt es tausende Tipps auf dem Markt, um besser zu sprechen. Bei all der Vielfalt ist dennoch klar, wenn man bei einem der fünf oben genannten Punkt wackelt, dann fehlt das Fundament.

 

Tatjana Lackner, MBA

Kommunikations‐ & Verhaltens‐Profilerin

  • 1970 in München geboren
  • 1994 gründete sie DIE SCHULE DES SPRECHENS in Wien – die Kaderschmiede für Karriereorientierte, Führungskräfte, Radio‐ & Fernsehmoderatoren
  • „Trainerin des Jahres 2014“
  • Politiker‐Analystin
  • sechsfache Bestseller‐Autorin
  • zweifache Mutter und junge Oma

 

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Bild: shutterstock; Tatjana Lackner – Schule des Sprechens